Wie wichtig eine gute Spielleitung ist

Nach über 150 gespielten Games kann ich mit Sicherheit sagen, dass eine gute Spielleitung bestimmt mindestens 30% eines Gesamtaufenthaltes ausmacht. Durch die Erfahrungen, die ich zuvor geschildert habe, ist mein Blick noch einmal etwas ganz anderes.

2014

Ich studiere und brauche einen Nebenjob. Mein jetziger Nebenjob ist nichts weiter als das – ein Job. Also mach’ ich mich auf die Suche (damals noch auf Facebook) und stolpere über ein Inserat. “Gamemaster*in gesucht”. Was ist ein*e Gamemaster*in? Ich schreibe eine kurze, persönliche Bewerbung und keine Woche später finde ich mich in einer kleinen Location mitten im Belgischen Viertel in Köln wieder und habe ein Vorstellungsgespräch mit zwei Schweizer*innen / Spanier*innen, die in Köln einen Escape Room eröffnen wollen und noch Gamemaster*innen brauchen. Das Gespräch ist angeregt, freundlich und ich fühle mich direkt wohl. Und der Job, um den es geht, klingt so viel besser, als das, was ich zurzeit mache, um mein Geld zu verdienen.

Also sage ich zu und kurz darauf sitze ich neben meinem zukünftigen Chef, der eine Gruppe von draußen mit Kameras beobachtet, hin und wieder Hinweise über den Laptop einspielt und die passende Musik auswählt. Wie cool ist das denn?!

Kleber beim Gamemastern

Ein paar Monate später

Ich habe mich mittlerweile ganz gut eingelebt in der Welt der Escape Rooms, habe einige Gruppen allein geleitet und beginne immer mehr Routine in diesem Job zu bekommen.

Der Spaß nimmt nicht ab, ich verbringe meine Wochenenden in der Location, lerne so viele verschiedene Menschen und Gruppenkonstellationen kennen, lerne die Rätsel und die dazugehörigen Codes auswendig, das Aufräumen der Räume geht mir auch immer schneller von der Hand. Es fühlt sich fast schon wie ein kleines Zuhause an, diese kleine Kellerlocation mit der schwarzen Ledercouch und den roten Vorhängen. Auch das Intro, was jede Gruppe zu Beginn bekommt, hat sich in mein Gehirn gebrannt. Ich werfe, je nach Alter und Erfahrung, hier und da kleine Insider, Witze oder besondere Hinweise ein, um mein Intro noch besser zu machen und den Gruppen das bestmögliche Spielerlebnis zu bieten.

Jeder Cent Trinkgeld fühlt sich an wie ein kleines Kompliment und ich liebe jede Sekunde an diesem Job. Auch die nicht so schönen Seiten gehören irgendwie dazu. 

Die betrunkenen Menschen, die Kindergeburtstage, die Junggesell*innen-Abschiede, alle sind Teil davon und haben keine Ahnung, wie groß das Ganze eigentlich für mich ist.

2019

Ich arbeite nun seit einigen Jahren als Gamemasterin für ein Kölner Franchise.

Wir haben mittlerweile eine zweite Location aufgemacht und die erste wieder geschlossen, haben 3 verschiedene Spiele im Angebot und 7 Tage die Woche von 9-23Uhr geöffnet.

Einige Storemanager*innen-Wechsel liegen hinter uns und einige hundert Gruppen, die ich leiten durfte.

Ich arbeite nun neben meiner Ausbildung “nur noch” an den Wochenenden als Gamemasterin, freitags nach der Arbeit direkt im Anschluss in die Location, um bis 23 Uhr noch ein paar Gruppen durch die Räume zu schleusen. Dann samstags und sonntags von morgens bis abends, und montags gehts wieder zur Berufsschule oder in meinen Ausbildungsbetrieb. Mittlerweile durfte ich zahlreiche neue Spielleiter*innen einarbeiten, an den neuen Räumen mitarbeiten, habe mir Insiderwissen angeeignet, sodass in ich in jeder Situation genau weiß, was zu tun ist. Habe die kuriosesten Dinge erlebt, die Menschen bei Ratlosigkeit unternehmen. Ich kann meine Spiele mit verschlossenen Augen leiten und trotzdem freue ich mich über jedes strahlende Gesicht am Ende eines Spieles, über jedes “Danke für die tolle Spielleitung!” und über jedes glückliche Abschlussfoto genau wie in meiner Anfangszeit.

Ich habe die besten Freund*innen in meinen Mitarbeitenden gefunden und habe die Liebe gefunden, sowohl für Escape Rooms als auch in einem ganz besonderen Menschen. 

Erste Weihnachtsfeier mit den Tools, damals alle noch Gamemaster*innen

2021

Corona sorgt dafür, dass wir unsere Location vorerst schließen müssen. Eigentlich hätte ich an diesem einen Sonntag arbeiten müssen, aber durch die Regelungen sind wir dazu gezwungen, allen Gruppen abzusagen und bis auf weiteres zu schließen.

Und das wars – ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören. Zu groß war die Anstrengung, neben meiner 40 Stunden Ausbildung noch an den Wochenenden zu arbeiten. Und als hätte das Universum mir irgendein Zeichen geben wollen – hier war es.

Also kündige ich, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. 7 ganz besondere, wertvolle, lehrreiche und spannende Jahre liegen hinter mir.

2023

Warum ist mir persönlich eine gute Spielleitung so wichtig?

Nach über 150 gespielten Games kann ich mit Sicherheit sagen, dass eine gute Spielleitung bestimmt mindestens 30% eines Gesamtaufenthaltes ausmacht. Durch die Erfahrungen, die ich zuvor geschildert habe, ist mein Blick noch einmal etwas ganz anderes.

Wenn ich heute eine Location betrete, um ein neues Spiel zu spielen, dann achte ich, vielleicht manchmal zu exzessiv, penibel auf jede Kleinigkeit.

Hat sich die Spielleitung mit dem eigenen Namen vorgestellt? 

Wirkt Sie nervös, aufgeregt, abgeklärt, gelangweilt?

Wie verhält sie sich während des Spiels?

In welcher Art gibt sie Hinweise?

Habe ich das Gefühl dass sie während der gesamten Spielzeit aktiv dabei ist?

Nimmt sie sich nach dem Spiel noch Zeit für uns?

Das sind alles Dinge, auf die ich achte. Mein Verständnis und Mitgefühl für Stress ist groß, natürlich ganz besonders, weil ich auch jahrelang auf der anderen Seite gestanden habe. Für eine Spielleitung sind es einige Gruppen am Tag, für die Gruppen ist es das eine, einzigartige Erlebnis. Und wenn die Spielleitung dann genau in diesem Moment nicht konzentriert, oder unfreundlich ist, weil vielleicht die vorherige Gruppe problematisch war, dann ist es besonders schade. Es ist nicht einfach, für jede Gruppe wieder von 0 auf 100 zu gehen, den Stress, der zeitweise davor durch verspätete oder anspruchsvolle Gruppen entstanden ist, zu vergessen und sich wieder vollends auf die neue Gruppe einzustellen.

Natürlich hat nicht jede*r Gamemaster*in eine vergleichbare Hintergrundgeschichte und so viel Herzblut für den Job wie ich, manche machen ihn neben dem Studium, um ein bisschen Geld zu verdienen, aber es gibt natürlich auch Ausnahmen, die absolut positiv in Erinnerung bleiben. Wenn sich die Spielleitung nach dem Spiel noch Zeit nimmt (wenn das möglich ist, weil man z.B. den letzten Zeit-Slot des Tages gebucht hat) und man nicht quasi schon bei Beenden des Spieles verabschiedet wird, ist das definitiv ein Pluspunkt. Mit der Spielleitung noch einmal gemeinsam in den Raum zurückgehen und über die gelösten Rätsel, Highlights und eventuell Verbesserungsvorschläge zu sprechen, über kleine Insider, die während des Spielens entstanden sind, macht immer besonders viel Spaß und hinterlässt nachhaltig einen guten Eindruck.

Was also erwarte ich, oder wir als Gruppe, von einer Spielleitung, um diese am Ende als gut betiteln zu können?

Volle Aufmerksamkeit vor, während und nach des Spiels. Nicht das Gefühl haben zu müssen eine von vielen Gruppen zu sein, die im Laufe eines Tages durch die Räume geschleust werden. Eine persönliche Bindung aufbauen durch Anekdoten und kurze Gespräche über Erfahrungen, die wir schon sammeln konnten. Auch eine persönliche Begrüßung und Verabschiedung sollten meiner Meinung nach immer zum Standardprozedere gehören. Ob der persönliche Vibe zwischen den Spielenden und der Spielleitung stimmt kann natürlich niemand beeinflussen, aber abschließend kann ich sagen: Wenn wir ein Spiel buchen und während der gesamten Aufenthaltsdauer das Gefühl haben die 100%ige Aufmerksamkeit unserer Spielleitung genießen zu dürfen, dann ist zumindest schon mal der Grundstein gelegt. Alles weitere kommt dann meist schon von ganz allein.

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