Alleine im Escape Room

Vielleicht gab es hier ja einen Escape Room Anbieter, der Games für einen Spieler anbietet. Unwahrscheinlich, aber schauen konnte ich ja mal. “Long Story Short”: gab es nicht. Aber jetzt war ich hooked und zu neugierig, wie es denn wäre, einen Escape Room nicht nur ohne mein übliches Team, sondern komplett ohne andere Menschen zu spielen. 

Oder: wie ich auf meiner Interrail Reise in Zagreb strandete und auf eine irrsinnige Idee kam.

Alleine ins Restaurant, ins Kino oder zum Minigolf: besondere Aktivitäten sind in der Regel mit der Familie oder einer Freundesgruppe verbunden. Sie stärken den Gruppenzusammenhalt, regen die Kommunikation an, sind meist schlicht günstiger ab einer gewissen Anzahl von Personen und seien wir ehrlich: in der Regel machts in der Gruppe auch mehr Spaß. Oft sind sie sogar der Anlass dafür etwas gemeinsam zu unternehmen und Freundschaften zu pflegen, die sonst eher selten im Terminkalender auftauchen. Manchmal braucht man allerdings auch Zeit für sich selbst, um eigene Probleme anzugehen oder den Kopf frei zu bekommen. Und so machte ich mich mit einigen Fragen und quasi keinem Plan auf den Weg in Richtung Salzburg, wo eine zwei-wöchige Interrailtour für mich beginnen sollte. Von hier an hieß es: Schienen, mein Rucksack und ich. Über die julischen Alpen durch Slowenien, nach Kroatien, durch alle nennenswerten Städte Österreichs, nach Ungarn, durch die Slowakei und schließlich nach Tschechien. In den folgenden Tagen sah ich viele unterschiedliche Städte, die Berge, machte einige flüchtige, aber nette Bekanntschaften und klärte viele Fragen, die mich schon seit längerem beschäftigten. Diesen Urlaub hatte ich definitiv nötig.

Zugfahrt zu später Stunde

Meine seltsame aber tolle Erfahrung

Aber gerade in diesen spontanen, ungeplanten Urlauben läuft nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt, und so strandete ich eines Tages – eine Nacht länger als geplant – in Zagreb, Kroatien. Ich setzte mich auf eine Bank in der Nähe des Bahnhofs, welchen ich ursprünglich mit dem Zug verlassen wollte und überlegte, wie ich meinen Tag nutzen könnte, als mir eine Schnapsidee kam. Vielleicht gab es hier ja einen Escape Room Anbieter, der Games für einen Spieler anbietet. Unwahrscheinlich, aber schauen konnte ich ja mal. “Long Story Short”: gab es nicht. Aber jetzt war ich hooked und zu neugierig, wie es denn wäre, einen Escape Room nicht nur ohne mein übliches Team, sondern komplett ohne andere Menschen zu spielen. 

Ich kam in der Location an, in welcher eine Fünfergruppe auf eines ihrer Mitglieder wartete, das Bargeld von einer Bank holte. Sie hatten das gleiche Spiel gespielt, welches ich gleich spielen würde und hatten es nicht geschafft. Daneben saß ich. Alleine.

Nagel

Ein paar Stunden später stand ich vor der Filiale von “Fox in the Box” in Zagreb. Zuvor hatte ich einige Anbieter abtelefoniert und war zwar auf Interesse, aber hauptsächlich ausgebuchte Kapazitäten und andere Hindernisse gestoßen. Auch bei Fox in the Box war ich mit meinem Anruf zunächst auf Skepsis gestoßen. Ich versuchte ein bisschen mit meiner bisherigen Erfahrung zu argumentieren und erkannte, dass ich auch auf der anderen Seite der Leitung Neugierde geweckt hatte. Nach kurzer Bedenkzeit, welches Spiel alleine möglich wäre und wie die Abrechnung für eine Person funktionieren würde, vereinbarten wir einen Termin am frühen Abend. Ab hier hatte alles einen kabarettistischen Charakter. Ich kam in der Location an, in welcher eine Fünfergruppe auf eines ihrer Mitglieder wartete, das Bargeld von einer Bank holte. Sie hatten das gleiche Spiel gespielt, welches ich gleich spielen würde und hatten es nicht geschafft. Daneben saß ich. Alleine. Um das Spiel zu spielen, was fünf Personen vorher nicht geschafft hatten. Im Intro wurde nochmal erwähnt, wie wichtig Kommunikation ist. Gegenüber der Gamemasterin saß ich. Allein. Kommunikation. Wir mussten beide lachen. Dies zog sich durch den gesamten Aufenthalt. Ich und die beiden Gamemasterinnen waren gespannt, was jetzt passieren würde, zeitgleich fanden wir es auch alle ein bisschen bescheuert. Die gesamte Situation fühlte sich etwas absurd an. Kurz darauf ging es ans Eingemachte: “Bank Robbery”. Ein Thema, was mich unter anderen Umständen maximal schulterzuckend zurückgelassen hätte. Aber jetzt war ich sogar ein bisschen aufgeregt. Ich bekam eine Taschenlampe, die Tür wurde geöffnet, ich trat ein, die Tür wurde wieder geschlossen und los ging es.

Normalerweise hätte ich mich jetzt einer Seite des Raumes zugewandt, hätte dort nach spielrelevanten Hinweisen gesucht, meine Ergebnisse mitgeteilt und den Entdeckungen meiner Freund*innen gelauscht, die normalerweise kreuz und quer durch meinen Gehörgang flögen. Doch jetzt spürte ich eher Überforderung. Der direkt zugängliche und doch recht große Spielbereich von zwei Räumen war gespickt mit Hinweisen, Schlössern und Rätseleinstiegen. Um nicht den Überblick zu verlieren, versuchte ich mir im Kopf zurecht zu legen, welche Hinweise ich gefunden hatte, wie viele Code- und Zahlenschlösser zu öffnen waren und was ich mir im Laufe des Spiels noch genauer anschauen musste. Zeitgleich begann mein Oberstübchen zu rattern und versuchte erste Verbindungen herzustellen. Das alles untermalt von meinen Selbstgesprächen auf Englisch die ich führte, um meine Gedanken zu ordnen und die Gamemasterinnen für den Fall der Fälle daran teilhaben zu lassen. Doch mit der Fülle an Dingen, die ich theoretisch machen konnte, war es mir nicht möglich, einen ertragreichen Gedanken zu fassen. “Also”, sagte ich mir: „Eins nach dem anderen”. Und so widmete ich mich nach und nach Rätsel für Rätsel. Die ersten Schlösser öffneten sich, bei anderen stieß ich auf Hindernisse. Ich machte mir eine entsprechende gedankliche Notiz und ging erstmal zum nächsten Rätsel über. Wie bei einer Klassenarbeit oder einer Klausur an der Uni. Bloß keine Zeit verschwenden. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass hier früher oder später jede Aufgabe gelöst werden müsse. Immer mehr fand ich mich zurecht und kam in den allseits bekannten Tunnel. Gedankliche Knoten lösten sich, durch die Schläuche, auf denen ich stand, floss wieder Wasser. Ich kam gut voran und trotzdem lief die Zeit gegen mich. Ich schaute auf meine kleine Armbanduhr, die ich dazu nutzen sollte, meine Spielzeit im Blick zu behalten. Und auch, wenn ich mich schnell auf die 60 zubewegte, fielen gleichermaßen viele Schlösser. Bis ich mit etwa sieben Minuten Restzeit den Tresor öffnete. Den Tresor, den ich schon seit Beginn des Spiels sehen konnte und welcher das Ende meines Abenteuers markieren sollte. So dachte ich zumindest.

Dann dämmerte es mir: ich würde jeden kleinen Safe öffnen müssen, um am Ende den Code für den letzten und begehrtesten Safe in den Händen zu halten. Kurzer Blick auf die Uhr: 55 Minuten. Kurze Panik. Kurz durchatmen.

Nagel

Als ich die Tresortür geöffnet hatte, erblickte ich einen kleinen Safe, welcher zwar durch eine Panzerglas Front geschützt war, aber so auch einen Blick ins Innere erlaubte. Darin: die gesuchten Edelsteine. Ich blickte mich um und sah einen weiteren kleinen Safe und dann noch einen und noch einen und noch einen. Insgesamt fünf Stück. Einer davon gefüllt mit Edelsteinen. Dann dämmerte es mir: ich würde jeden kleinen Safe öffnen müssen, um am Ende den Code für den letzten und begehrtesten Safe in den Händen zu halten. Kurzer Blick auf die Uhr: 55 Minuten. Kurze Panik. Kurz durchatmen. Ein kleiner Tipp für den Einstieg war mir gegönnt und dann ging es los. Wie im Film flog ich regelrecht durch die letzten verbleibenden Rätsel. Eingebung folgte auf Eingebung. Mein Hirn war mir wohlgesinnt. Zum Glück lagen auch keine dicken Kopfnüsse mehr zwischen mir und den Edelsteinen. Plötzlich hielt ich sie in den Händen. Erneut ein kurzer Blick auf die Uhr: 59:37. Ich hatte es geschafft. In mir stieg ein erleichtertes Gefühl auf. Mindestens genauso überrascht und begeistert wie ich, stolperten die zwei Gamemasterinnen in den Raum. Während die beiden aufgrund der engen Taktung mit dem Aufräumen begannen, unterhielten wir uns über das Spiel, was mir gefallen hatte und was die beiden während des Spielens beobachten konnten. Im Anschluss standen wir noch ein wenig vor der Tür und unterhielten uns über Escape Games, die Arbeit als Gamemaster*in, meine Reise und Gott und die Welt bis die nächste Gruppe eintrief. Diesmal sollte die Bank wieder zu viert ausgeräumt werden. Und so bedankte ich mich für die Gelegenheit und verabschiedete mich. Das hatte richtig viel Spaß gemacht. 

Das Spiel in Kurzform

An dieser Stelle nochmal ein riesen Dankeschön an “Fox in a Box Zagreb”, dass ich alleine spielen durfte, dass sie von Anfang an mit so viel Elan dabei waren wie ich, die Flexibilität und das nette Gespräch nach dem Spiel. Um noch ein paar Worte zum Spiel selbst zu verlieren: Bei “Bank Robbery” handelt es sich um ein klassisches 1.0er Spiel mit vielen Schlössern und Rätseln, die zwar kaum thematisch eingebunden sind, aber umso abwechslungsreicher und spaßiger zu lösen sind. Das Spiel war auf einem soliden Level gestaltet und bot durch die durchgängig kleine Lichtquelle – der Taschenlampe – außerdem einen zusätzlichen Twist. Hier und da musste ich mich auch vor der Security verstecken, also durchaus ein klassisches Spiel auf gutem Niveau. Sollte sich also irgendwer, der diesen Text hier liest, mal nach Zagreb verirren: einen Besuch kann ich mit nicht allzu hohen Erwartungen auf jeden Fall empfehlen. Und wer weiß: vielleicht hat ja irgendwen von euch auch die Lust gepackt, sich mal alleine ins Abenteuer zu stürzen.

Der große Erfolg

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